Kommunikative Konstruktion von Unzufriedenheit:
zur Institutionalisierbarkeit des Emotiven

Das vorliegende Dissertationsprojekt beschäftigt sich mit Unzufriedenheit als kommunikativer Gattung [Luckmann], wie sie im Medium der Mündlichkeit auftritt. “Unzufriedenheit” wird dabei als kommunikative Gattung aufgefasst, d.h. eben nicht als rein innerer Zustand, als emotionaler Inhalt ohne äußere Form sondern vielmehr als Unzufriedenheitsäußerung, als zum Ausdruck Bringen von Unzufriedenheit.
Im Ausgang von dieser ersten Eingrenzung lassen sich zwei Hauptformen von Unzufriedenheitsäußerungen ausmachen: Zum einen kann Unzufriedenheit im medialen Rahmen sprachlicher Ausdrucksformen institutionalisiert, organisiert und inszeniert werden. Zum anderen kann Unzufriedenheit jedoch auch spontan und nicht–institutionell im Kontext alltäglicher Interaktionen auftreten.
Eine Unzufriedenheitsäußerung wird zu einer Unzufriedenheitsäußerung dadurch, dass in ihr Erwartungsenttäuschungen thematisiert, bzw. mittels Stereotypisierung und Standardisierung topischen Charakter erlangen.

Welche Funktion kommt nun einer individuellen oder im Rahmen institutionalisierter Settings vorgenommenen Unzufriedenheitsäußerung in unserer hochdifferenzierten Gesellschaft zu? Welches Verhältnis, welche Wechselwirkung besteht zwischen diesen verschiedenen Settings von Unzufriedenheitsäußerungen, der Form, in der sie zum Ausdruck gebracht werden, und der dadurch erzielten Wirkung?
Dieser Fragestellungen wird mit den begrifflichen Werkzeugen der Emotionssoziologie sowie der Institutionentheorie nachzugehen sein. Durch die Kombination dieser beiden Ansätze lassen sich zum einen die Bedingungen verstehen, unter denen sich Unzufriedenheit als kommunikative Gattung institutionalisiert. Zum anderen erlauben sie eine differenzierte Untersuchung der Ensembles, der Typen sowie der sozialen Rollen, bei denen Unzufriedenheit in bevorzugter Weise topischen Charakter erlangt. So zum Beispiel, im institutionalisierten Rahmen, der Kritiker oder der Oppositionelle, im nicht–institutionalisierten Alltagsgeschehen der Jammerer oder Nörgler.

Das Material, welches in meiner Arbeit zur Anwendung kommt, besteht in transkribierten Mitschnitten von Unzufriedenheitsäußerungen. Diese in verschiedenen institutionalisierten und nicht–institutionalisierten Settings vorgebrachten Äußerungen werden unter ethnomethodologischen, gattungs– und konversationsanalytischen Gesichtspunkten zu untersuchen sein. Die institutionellen Analyse ermöglicht darüber hinaus weitere wesentliche Aspekte der Gattungsperformanz und von Settings zu untersuchen, deren Hauptcharakteristikum in ihrer relativen Stabilität liegt. Dabei lassen sich anhand der Kategorien des Paradoxon, der Selbsterzeugung und –verstärkung wie auch allgemein der Stabilisierung von Spannungen strukturelle Elemente kommunikativer Unzufriedenheitsgattungen besonders aufschlussreich analysieren. Dies vor allem im Hinblick auf die Wirkungsmechanismen von Unzufriedenheitsäußerungen, ihrer Fruchtbarmachung für eine Überholung, Verbesserung und Restabilisierung bestehender Institutionen aller Art.
Daran anknüpfend wird zu untersuchen sein, ob und inwiefern die beschriebenen Mechanismen und Funktionen von Unzufriedenheitsäußerungen eine institutionenerhaltende und stabilisierende Funktion erfüllen.

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