„Fromme Knechte“ und „Garteteufel“.

Die Konstruktion von Devianz bei Söldnern im 16. und 17. Jahrhundert.

 

Das Dissertationsvorhaben beschäftigt sich mit der Konstruktion von Normalität und Abweichung bei Söldnern während des 16. und 17. Jahrhunderts. Zu Beginn der Frühen Neuzeit war der spätmittelalterliche Wandel im Militärwesen, der Übergang vom Ritter- zum Söldnerheer, nicht mehr zu übersehen und regte zu vielfältigen Reflexionen über diesen Wandel etwa in Literatur und bildender Kunst an. Der Söldner wurde hier als eigenständiger neuer sozialer Typ wahrgenommen und als solcher mit vielfältigen Bewertungen versehen. Damit verbanden sich stereotype Zuschreibungen bestimmter positiver und negativer Charakter- und Verhaltensmerkmale. War das Bild des Söldners dabei zu Beginn des 16. Jahrhunderts noch höchst ambivalent, überwiegt spätestens gegen Ende des 17. Jahrhunderts eine deutlich negative Wahrnehmung. Der Söldner wurde im Untersuchungszeitraum geradezu eine Projektionsfläche für Definitionen devianten Verhaltens. Wie sich solche Zuschreibungen verfestigten, und schließlich eine soziale Gruppe stigmatisierten, lässt sich anhand der Figur des Söldners für die Frühe Neuzeit besonders deutlich zeigen.

Ziel des Forschungsvorhabens ist es, den unterschiedlichen Motiven und gesellschaftlichen Praktiken der Konstruktion von Devianz in ihren jeweiligen historischen Zusammenhängen bei einer spezifischen sozialen Gruppe über eine lange Zeitspanne nachzuspüren. Dabei wird sowohl von einer Tradierung als auch von einem Wandel zeitgenössischer Konzepte von Norm entsprechendem und Norm abweichendem Verhalten ausgegangen. Diese Konzepte sollen heraus gearbeitet und hinsichtlich ihrer Prägung der gesellschaftlichen Wahrnehmung des Söldners analysiert werden. Dazu soll sich die Studie im Wesentlichen folgenden Problemfeldern zuwenden: Söldner sind zu Beginn des Untersuchungszeitraums zwar kein neues Phänomen, doch setzt zu diesem Zeitpunkt eine bisher weitgehend unterbliebene gesellschaftliche Auseinandersetzung mit ihnen ein, in der sie ohne Zweifel als neue soziale Gruppe wahrgenommen werden. Gerade der Umstand, dass es sich bei der Figur des Söldners um einen neuen sozialen Typ handelte, rief zahlreiche Kommentare und Bewertungen hervor, die aus höchst unterschiedlichen Intentionen entstanden. Dabei scheinen allerdings Zuschreibungen devianter Verhaltensmuster seit Beginn dieser Reflexion ein starkes Motiv gewesen zu sein, das sich offenbar immer mehr verfestigte und durchsetzte. Wie sah die Praxis dieser Konstruktion von Devianz etwa in künstlerischen Medien oder auch in Gesetzestexten aus? Welche Zusammenhänge und Differenzen sind dabei zu erkennen? Inwiefern finden diese Konzepte ihren Niederschlag in der Selbstwahrnehmung und Selbstdarstellung von Söldnern? Wurden die Konzepte zur eigenen Wirklichkeitsbeschreibung übernommen, so dass man im Untersuchungszeitraum von einer erfolgreichen Stigmatisierung des Söldners sprechen kann? Und schließlich: Durch welche Medien wurden derartige Konzepte vermittelt?

Die Praktiken der Konstruktion von Devianz sowie Mechanismen der Stigmatisierung sollen anhand von drei Quellenbereichen aus dem deutschsprachigen Raum vergleichend untersucht werden: I. Literatur und bildende Kunst, II. Normative Texte, III. Selbstzeugnisse. Ein eng umrissener Vergleich mit Quellen, hauptsächlich Zeitungen und Flugschriften, über drei legendäre Einsätze von Landsknechten im europäischen Ausland (sacco di Roma 1527, Frankreich 1587 und 1622) soll die Tragfähigkeit der Thesen überprüfen und den Horizont erweitern.

An die Studie wird die Erwartung gestellt, dass sie aus historischer Perspektive einen Beitrag dazu leistet, zu verstehen wie sich die Konstruktion von Devianz bei einer spezifischen sozialen Gruppe – die in erster Linie über ihre Tätigkeit definiert ist und deren Mitglieder ihr zumeist nur temporär angehören – über einen langen Zeitraum ausnimmt.