Rouzanna Amirkhanian    

 

 

DISSERTATIONSVORHABEN

„ Architektonische Motive und Rahmenwerke der Eusebianischen Kanontafeln in den mittelalterlichen armenischen Handschriften “

 

 

Im Rahmen der Doktorarbeit „Architektonische Motive und Rahmenwerke der Eusebianischen Kanontafeln in den mittelalterlichen armenischen Handschriften “ soll zum ersten Mal eine breite Untersuchung der Illustrierungstradition der mittelalterlichen Kanontafeln durchgeführt werden, die eine besondere Entwicklung in der armenischen Buchmalerei erlebt haben. Das Projekt des Vorhabens zielt auf eine Erweiterung und Weiterentwicklung der ersten diesem Thema gewidmeten Arbeit der Verfasserin ab, die im Februar 2002 zur Erlangung des französischen akademischen Grades Diplôme d’Etudes Approfondies an der Pariser Ecole Pratique des Hautes Etudes à la Sorbonne (Paris IV) eingereicht wurde. In dieser Untersuchung wurden armenische Manuskripte aus dem 9.-10. Jahrhundert analysiert, welche die archaischsten Interpretationen der Kanontafeln darstellen und den Archetypen dieses am Anfang des 4. Jahrhunderts entwickelten dekorativen Themas am nächsten stehen. Am Beispiel dieses ikonographischen Materials wurde die Hypothese aufgestellt, daß dieses dekorative Motiv aus der in der frühchristlichen Kunst weit verbreiteten sogenannten "archetektonischen Ikonographie" entstanden ist.

 

Im Rahmen dieser ersten Untersuchung wurden einige bereits veröffentlichte und allgemein bekannte archäologische Daten in Betracht gezogen, die eine Rekonstruktion der ersten architektonischen Komplexe des Reiches von Konstantin darstellen. In der Arbeit wurden unter dem selben Gesichtspunkt auch einige geschichtliche Quellen untersucht, welche die Verwirklichung von großen Bauvorhaben bezüglich dieser Kultusgebäude bestätigen und beschreiben.

 

Auf der Grundlage der Analyse der armenischen Miniaturmalerei konnten einige Hypothesen über die Herkunft der in allen lokalen Traditionen der Miniaturmalerei verbreiteten architektonischen Zierelemente der Kanontafeln aufgestellt werden. Darüber hinaus liefern diese Vorarbeit der Verfasserin auch neue Möglichkeiten für die Analyse der mittelalterlichen Tradition der armenischen Miniaturmalerei im Gesamtkontext der frühchristlichen Zivilisation, deren Kunst ihre Bilder und Symbole aus einer gemeinsamen Quelle schöpft.

 

Damit betrifft die Untersuchung indirekt auch die Frage nach der wechselseitigen Beeinflussung und Bereicherung in der Kunst verschiedener frühchristlicher Völker seit der frühsten Entstehungszeit der christlichen Ikonographie. In späteren Perioden erlebte die Illustrierungstradition der Kanontafeln in der mittelalterlichen Kunst einen gewissen Rückgang, der mit einer Auseinanderentwicklung der Traditionen der lokalen Miniaturmalerei einherging. Entgegen der allgemeinen Rückgangtendenz bietet die armenische Miniatur des 12.-14. Jahrhunderts jedoch noch reichere und vielfältigere Interpretationen dieses dekorativen Motivs.

 

Die Frage nach der Weiterentwicklung dieses frühchristlichen dekorativen Themas hängt also mit der Entwicklung der armenischen Buchminiatur im späteren Mittelalter zusammen. Die Vitalität dieser in der frühchristlichen Zeit entstandenen und bis ins späte Mittelalter hinein erhaltengebliebenen Tradition belegt die Notwendigkeit, sie auf der Grundlage des armenischen ikonographischen Materials zu untersuchen. Dies bildet nämlich den faktisch fast einzigen Träger und die einzige Fortsetzung der dekorativen Tradition der Kanontafeln.

 

Die Untersuchung der mittelalterlichen armenischen xoran (Kanontafeln) ist auch aus der Sicht der allgemeinchristlichen Inkonographie interessant. Was bedingte die Erhaltung und die Weiterentwicklung der xoran in der armenischen Buchmalerei, während in den anderen Traditionen diese Illustrierungsart in einem starken Rückgang begriffen war und anderen Formen symbolischen Ausdrucks (Architektur, Skulptur, kirchliche Ausstattung) weichen mußte? Das Ziel des Vorhabens besteht darin, zu klären, ob die Bevorzugung dieser Art in der mittelalterlichen armenischen Kunst mit Besonderheiten des symbolischen Denkens und der Entwicklung der theologischen Literatur in Armenien zusammenhing oder damit, daß diese Art von Malerei den einfachsten Zugang zur künstlerischen Realisierung christlicher Bilder und religiöser Symbole ermöglichte.  

 

In der Arbeit soll auch darauf eingegangen werden, inwiefern die Symbolik der armenischen Kanontafeln die allgemeinen Entwicklungstendenzen von Symbolen in der christlichen Kunst berührt, was die gemeinsamen Merkmale und umgekehrt was die rein lokalen Interpretationen  der allgemeinanerkannten Symbole in den Kanontafeln und in der armenischen christlichen Kunst insgesamt sind.

 

Unter dem Gesichtspunkt der wechselseitigen Beeinflussung und Bereicherung unterschiedlicher christlicher Traditionen soll die Frage nach den lokalen Adaptationen solcher Aspekte der christlichen Kunst wie die architektonische Symbolik, kosmologische Vorstellungen, numerologische und bildliche Symbole besonders hervorgehoben werden.

 

Die Dissertation soll zuerst auf Französisch verfaßt werden, später kann die Übersetzung in die deutsche und die englische Sprache erfolgen.