Burkhardt Wolf:
Das Ereignis und die gouvernementalen Formen

Was Michel Foucault einmal gouvernementalité genannt hat, bezeichnet neuzeitliche Regierungstechnologien, die immer schon „im Element der Realität operieren.“ Der Vortrag wird versuchen, diesen Operationsmodus am Beispiel der Versicherungsgeschichte und im Wechselverhältnis von Institution und Ereignis zu konkretisieren: Assekuranzen sollten jenem Ereignis begegnen, das vielleicht noch religiöses Thema, nicht mehr aber Gegenstand weltlicher, nämlich juristischer oder politischer Einflussnahme war: dem Unfall oder Zufall. Versicherungen wurden eingerichtet zur Abfederung und Prävention von wirtschafts- und damit gemeinschaftsschädigenden Ereignissen. Was vormals Domäne der Fortuna oder der Providenz schien, machten sie als Kontingenz erkennbar und modellierten sie als ‚Risiko’. Dieses konnte nun mittels intuitiver Abschätzung oder durch einen mathematischen Kalkül rein administrativ oder rechnerisch ‚bewältigt’ werden. Nach dem Vorbild des kaufmännischen risk management wurden schließlich staatliche Institutionen eingerichtet, die die Versicherungstechnik zum einen als Modell einer regelrechten Wissenschaftspolitik, zum anderen aber als Anlass einer Instituierung von Gemeinschaft begriffen. Neuzeitliche Regierungstechnologie und moderner Solidarstaat sind Errungenschaften, die nur aus dem Kraftfeld von Institution und Ereignis hervorgehen konnten.
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